Menschen tun sich naturgemäß schwer, Muster in großen Datenmengen zu erkennen. Für KI-Systeme ist es dagegen kein Problem, Hunderte, Tausende oder gar Millionen von Röntgenbildern, DNA-Sequenzen oder Diagnosen zu scannen, zu verarbeiten und daraus Schlüsse zu ziehen. In Forschung, Diagnostik und Therapie wird die Unterstützung durch künstliche Intelligenz daher immer wichtiger. So werden maschinelles Lernen und andere KI-Methoden beispielsweise im Kampf gegen Corona eingesetzt. Sie helfen, das Virus besser zu verstehen, neue Impfstoffe und Medikamente zu entwickeln und die Behandlung zu verbessern.
Die Pandemie-Bekämpfung ist jedoch nur ein kleiner, wenn auch aktuell äußerst wichtiger Ausschnitt aus dem Einsatzspektrum von KI in der Medizin. Vor allem in den folgenden Bereichen wird Künstliche Intelligenz immer wichtiger:
Analyse bildgebender Verfahren
Bildgebende Verfahren wie Computer- und Magnetresonanztomographie (CT beziehungsweise MRT) spielen in der Diagnostik und Therapie von Knochenbrüchen und Skeletterkrankungen eine wichtige Rolle. Auch bei der Erkennung und Behandlung von Herz-Kreislauf-Problemen gehören sie zu den Standardmethoden. Die Auswertung der Tomographiescans erfolgt typischerweise manuell oder halbautomatisch, ein zeitaufwendiges und fehleranfälliges Verfahren, das stark von der individuellen Erfahrung des jeweiligen Mediziners abhängt. Die große Menge und Bandbreite an verfügbaren Daten und deren subjektive Interpretation führt nicht selten dazu, dass Krankheiten nicht oder falsch diagnostiziert werden.
Um diese Situation zu verbessern, hat Siemens Healthineers, ein Spezialist für bildgebende medizinische Verfahren, in Zusammenarbeit mit Intel ein Verfahren entwickelt, mit dem sich kardiologische MRTs KI-basiert auswerten lassen. Wichtige morphologische und funktionelle Merkmale wie die genaue Quantifizierung des Herzkammervolumens, der Auswurffraktion (Ejection Fraction, EF) und der Myokardmasse lassen sich so weitgehend automatisiert ermitteln. Auf Basis der MRT-Bilder des schlagenden Herzens führt die Lösung dazu eine semantische Segmentierung der Herzkammern durch, identifiziert Regionen und Strukturen des Herzens und codiert sie farblich. Dank der integrierten Deep-Learning-Boost-Funktion in den eingesetzten skalierbaren Intel Xeon Prozessoren der zweiten Generation können die Berechnungen mit hoher Geschwindigkeit durchgeführt werden. Sie erweitert den Befehlssatz um eine neue Vector Neural Network Instruction (VNNI). Komplexe Aufgaben wie Faltungen, die normalerweise viele Anweisungen erfordern, können nun mit nur einem Befehl ausgeführt werden. Das beschleunigt vor allem Aufgaben wie Bildklassifizierung, Bildsegmentierung, Spracherkennung, Sprachübersetzung und Objekterkennung. Das Siemens-Healthineers-Team verwendet darüber hinaus die Intel Distribution des OpenVINO Toolkits (Open Visual Inference and Neural network Optimization), um das Modell zu optimieren, was die Bearbeitung noch einmal deutlich beschleunigt.
Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen
Wie wichtig die schnelle Bereitstellung neuer Vakzine und Medikamente ist, dürfte im vergangenen Jahr mehr als deutlich geworden sein. Pharmaunternehmen stehen dabei vor der großen Herausforderung, in Millionen potenzieller Wirkstoffe vielversprechende Kandidaten zu finden. Intel arbeitet dazu gemeinsam mit dem Biotechnologie- und Pharmaunternehmen Novartis am Einsatz von Deep Neural Networks (DNN) zur Beschleunigung von High Content Screening (HCS). HCS ist ein häufig in der Arzneimittelforschung und -entwicklung verwendetes Verfahren, bei dem der Einfluss eines Wirkstoffs auf Zellkulturen anhand tausender erfasster Merkmale analysiert wird. Die Auswertung und Klassifizierung der mikroskopischen Aufnahmen ist allerdings äußerst zeitaufwendig und erfordert viel Erfahrung.
Ein interdisziplinäres Team aus Forschern von Novartis und Intel konnte zeigen, dass sich das Verfahren durch überwachtes Training (Supervised Learning) eines neuronalen Netzes (Deep Neural Network, DNN) drastisch beschleunigen lässt. Für seinen Test verwendete das Team das Machine-Learning-Framework TensorFlow und führte seine Berechnungen auf einem Intel Xeon Cluster mit acht Sockeln und vierzig Kernen durch. Das überwachte Training benötigt allerdings große Datensätze von Trainingsbildern, die von Menschen bereits klassifiziert wurden. Zukünftige Untersuchungen sollen zeigen, inwieweit ungestütztes Lernen (Unsupervised Learning) anhand nicht vorab klassifizierter Mikroskopaufnahmen zu neuen Erkenntnissen in der Zellbiologie und Medikamentenforschung führen kann.
Erforschung neuer Behandlungsmöglichkeiten
Auch in bei der Entwicklung individueller Therapieansätze spielt KI eine immer größere Rolle. Das von der EU geförderte Exzellenzzentrum Computational Biomedicine (ComBioMed) hat dafür das „Virtual Human Project“ ins Leben gerufen. Ziel ist es, ein digitales Abbild eines Patienten zu erstellen, an dem die Wirkung von Medikamenten, Operationen oder Physiotherapien erforscht und optimiert werden können, ohne die Gesundheit oder das Wohlbefinden des realen Probanden beeinträchtigen zu müssen. Für einzelne Organe ist dies schon Realität. So lassen sich 3D-Modelle eines individuellen Herzens bereits bei der Diagnose und der OP-Vorbereitung einsetzen.
Die für den digitalen Zwilling notwendigen hochkomplexen Berechnungen werden auf Supercomputern wie dem SuperMUC am Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) in Garching durchgeführt. SuperMUC stellt pro Knoten bis zu 48 Kerne von Intel Xeon Skylake Prozessoren und 768 GByte RAM zur Verfügung. Die gesamte Rechenleistung beträgt mehr als 6,8 Petaflops (= 6,8 Billiarden Gleitkommaberechnungen pro Sekunde). Ein Team um Professor Peter Coveney vom University College of London (UCL) nutzte SuperMUC beispielsweise, um 50 Medikamente und potenzielle Wirkstoffe darauf zu untersuchen, wie sie mit Proteinen im menschlichen Körper interagieren, welche Auswirkungen diese Interaktion auf die Behandlung von Krankheiten haben könnte und welche Rolle die individuelle genetische Disposition des Patienten für Wirksamkeit und Nebenwirkungen von Medikamenten spielt. Die Berechnungen dauerten 37 Stunden und benötigten so viel Rechenleistung, wie sie eine Viertelmillion Standard-PCs zur Verfügung stellen könnte.
Telemedizin
Die digitale Transformation im Gesundheitswesen ermöglicht eine wesentlich bessere Kommunikation von Ärzten und Patienten, auch über Entfernungen hinweg. Implantate und in die Kleidung integrierte Messgeräte (Wearables) übertragen drahtlos ihre Informationen an Gesundheits-Apps und ermöglichen so die kontinuierliche Überwachung von Vitalwerten wie Blutdruck, Temperatur, Herzfrequenz oder Blutzuckerspiegel. Über die elektronische Patientenakte (ePA) stehen zukünftig Diagnosen, Arztbriefe, Rezepte und andere medizinische Dokumente behandelnden Ärzten, Kliniken und Apotheken ohne Medienbrüche und Verzögerungen per Knopfdruck zur Verfügung.
Rettungskräfte verwenden Telemedizingeräte, um EEG-, EKG- und andere Werte zu erfassen und von unterwegs an das Krankenhauspersonal zu senden. So können sich die Klinikmitarbeiter schon vor Ankunft des Patienten auf die notwendige Behandlung oder Operation vorbereiten. Das kann vor allem bei Herzinfarkten oder Schlaganfällen lebensrettend sein.
Auch bei dieser Entwicklung spielt KI eine wichtige Rolle. Intelligente digitale Assistenten können beispielsweise bei der Anamnese helfen, selbständig Gesundheitsdaten erfassen oder den Arzt mit dynamisch generierten, individuell auf die Situation des Patienten zugeschnittenen Fragebögen unterstützen. KI-Algorithmen erkennen Muster in Befunden und Vitalwerten und können so die Diagnose und Therapie unterstützen. Selbst Operationen lassen sich KI-gestützt mithilfe intelligenter Telehealth-Roboter aus der Ferne durchführen.
Fazit
Künstliche Intelligenz ist die Schlüsseltechnologie unserer Zeit – das gilt auch für das Gesundheitswesen. KI unterstützt Kliniken und Forscher bei Diagnose und Therapie, beschleunigt die Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe, verbessert die Patientenversorgung und hilft, Kosten zu senken und Personal effizienter einzusetzen. Als führender Anbieter im Gesundheitsbereich hilft Intel mit zahlreichen technologischen Innovationen, KI für alle Beteiligten zugänglicher zu machen.