Die Ernährung einer wachsenden Bevölkerung ist eine der größten Herausforderungen für die Weltgemeinschaft. Der Einsatz von Robotik, künstlicher Intelligenz, Edge Computing und Cloud kann helfen, die Verfügbarkeit und Sicherheit von Nahrungsmitteln zu verbessern sowie deren Verschwendung zu verhindern.
Bis 2030 wollen die Vereinten Nationen den Hunger in der Welt beenden, Nahrungsmittelsicherung und ausreichende Nährstoffversorgung für alle erzielen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern – so steht es im zweiten der 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDG), die seit 2016 für alle UN-Mitgliedstaaten gelten.
Die Realität sieht leider anders aus. Seit 2014 hat die Zahl der Menschen, die unter einer ungenügenden oder unsicheren Nahrungsmittelversorgung leiden, zugenommen. Im Jahr 2021 hungerten der UN zufolge 828 Millionen Menschen weltweit – 150 Millionen mehr als 2019. Dürrekatastrophen und der Krieg gegen die Ukraine haben vor allem die Lage in Afrika noch einmal drastisch verschärft.
Hoffen auf die IT
Weltweit setzen Bauern und Agrarunternehmen auf IT-Systeme, um Erträge zu optimieren, den Dünger- und Pestizideinsatz effizienter zu gestalten und durch gezielte Bewässerung für optimale Wachstumsbedingungen zu sorgen. In Deutschland sehen über zwei Drittel der Landwirte in der Digitalisierung eine Chance, wie eine repräsentative Umfrage des Digitalverbands Bitkom unter 500 landwirtschaftlichen Betrieben ergab. Bereits 23 Prozent setzen digitale Technologien zur gezielten Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln ein, bei Dünger sind es sogar 30 Prozent.
Sensoren an Drohnen oder Traktoren können beispielsweise Bodenfeuchte, Blattbedeckung und andere Faktoren messen und ihre Daten über das Internet of Things (IoT) an Analysesysteme übermitteln. Diese Informationen lassen sich dann mithilfe von Machine Learning und anderen Methoden künstlicher Intelligenz direkt am Edge vorab analysieren, bevor die konsolidierten Daten für eine vertiefte Auswertung in eine Cloud-Umgebung gesendet werden.
Der Roboter als Farmer
Wie viele andere Unternehmen leiden auch landwirtschaftliche Betriebe unter einem eklatanten Personalmangel. Viele Felder können nicht oder nicht in vollem Maße bewirtschaftet werden, weil es an Arbeitskräften fehlt. Intelligente adaptive Robotik könnte dieses Problem lösen oder zumindest abmildern.
Um die Möglichkeiten der landwirtschaftlichen Automatisierung auszuloten, haben Blue White Robotics, Anbieter einer Robotics-as-a-Service-Plattform, das Telekommunikationsunternehmen Federated Wireless und der IT-Hersteller Intel im Rahmen des 5G Open Innovation Labs eine Partnerschaft gegründet, die adaptive Robotik-Technologie mit privaten drahtlosen Netzen verbindet. So soll auch in abgelegenen ländlichen Gebieten ohne ausreichende Mobilfunkversorgung eine automatisierte Fernsteuerung von Landmaschinen ermöglicht werden.
Das Roboter-Kit von Blue White Robotics lässt sich auf nahezu jedem Traktor installieren. Es kombiniert GPS- (Global Positioning System), Lidar- (Light Detection and Ranging) und Kameradaten und ermöglicht es dem Gerät, sich mithilfe eines auf Deep Learning basierenden KI-Modells selbständig im Feld zu bewegen und typische Aufgaben wie Säen, Mähen, Düngen oder Sprühen autonom auszuführen.
Blue White Robotics bietet außerdem eine Datenverwaltungsplattform, die alle Informationen zusammenführt und die Administration der Maschinen zentralisiert. So kann ein Mitarbeiter eine ganze Flotte von landwirtschaftlichen Geräten steuern. Die Anbindung der Robotertraktoren an die Verwaltungsplattform erfolgt über ein privates drahtloses Netz, welches das in den USA lizenzfreie CBRS-Spektrum (Citizens Broadband Radio Service) im 3,5-GHz-Band verwendet.
Weniger Verschwendung
Die Nahrungsmittelversorgung lässt sich aber nicht nur dadurch verbessern, dass Anbaubedingungen optimiert und Erträge gesteigert werden, sondern auch durch weniger Verschwendung. Laut dem Umweltbundesamt landet in Deutschland ein Drittel aller Lebensmittel im Müll - eine Abfallmenge von zirka zwölf Millionen Tonnen pro Jahr. Mehr als die Hälfte entsteht in privaten Haushalten - rund 75 Kilogramm pro Jahr und Kopf.
Weniger Verschwendung würde nicht nur die Nahrungsmittelversorgung verbessern, sondern wäre auch ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Würde der Abfallberg um 50 Prozent reduziert, ließen sich die auf Lebensmittelkonsum zurückzuführenden Treibhausgase nach Analysen des Thünen-Instituts, einer Forschungseinrichtung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bis 2030 im Vergleich zum heutigen Stand um neun Prozent reduzieren.
Wie sich mithilfe von IT die Nahrungsmittelverschwendung entlang der Lieferkette verringern lässt, zeigt das Startup Transparent Path. Es stattet Lieferketten mit Industrial-IoT-Sensoren aus, die kontinuierlich Umgebungslicht, Temperatur, Feuchtigkeit und Luftdruck messen. Die Daten werden per Mobilfunk, WiFi oder Mesh-Kommunikation an ein Edge-Gateway im Fahrzeug oder im Container übermittelt, das auf Intel-Atom-x3-Prozessortechnologie basiert. Das Gateway kann die gelieferten Informationen direkt am Edge selbständig analysieren und bei einer Abweichung von Normwerten beispielsweise den Fahrer des LKW alarmieren.
Die Daten werden außerdem in die Cloud gesendet, mit weiteren Logistikdaten angereichert und dem Lieferkettenpartner in Form eines Dashboards zur Verfügung gestellt. Der von Transparent Path entwickelte Algorithmus „FreshScore“ berechnet, ob die Ware unter den aktuellen Bedingungen frisch am Zielort angeliefert werden kann, oder ob sie zum Beispiel umgeleitet und an einem anderen Ort schneller in die Regale gebracht werden muss.
Fazit: Nahrungsmittelsicherheit braucht Digitalisierung
Die Herausforderungen für die Landwirtschaft werden in den kommenden Jahren nicht weniger werden. Schon heute spüren laut Bitkom mehr als zwei Drittel der Landwirte in Deutschland die Folgen des Klimawandels. In anderen Regionen sind die Auswirkungen noch wesentlich drastischer – bis hin zu Dürrekatastrophen und kompletten Ernteausfällen.
IoT-Systeme, KI, Robotik, Edge Computing und Cloud können helfen, das „No Hunger“-Ziel der Vereinten Nationen zu erreichen. Der Einsatz kann dabei auf allen Ebenen erfolgen – von einer verbesserten Nahrungsmittelerzeugung über optimierte Lieferketten bis hin zu weniger Verschwendung in privaten Haushalten.